Keine schlafenden Kühe wecken

Du faule Kuh! Von wegen. Eine Kuh muss ganz schön arbeiten, um täglich ausreichend Energie aus dem nährstoffarmen Gras zu gewinnen. Und davon braucht sie eine ganze Menge, denn ihr Körper bringt gut und gerne 700 Kilogramm auf die Waage. Deshalb bleibt ihr kaum Zeit zum Schlafen. Da sie zur Energiegewinnung entweder grasen oder wiederkauen muss bleiben ihr lediglich 3-4 Stunden Tiefschlaf (NonREM) und eine Dreiviertelstunde REM-Schlaf pro Tag. Die Tiere sind so stark auf Grasen und Wiederkauen angewiesen, dass sie sogar im Tiefschlaf kauen. Wie Schlafwandler sind sie in der Lage in den tiefsten Minuten des Schlafes stereotypische Handlungen auszuführen. Mahl auf … mahl ab.

Insbesondere überraschend ist die kurze REM-Schlaf Dauer von nur 45 min pro Tag. Während des REM-Schlafs erschlaffen zwangsweise alle Muskeln, Essen und Wiederkauen sind damit ausgeschlossen. Wahrscheinlich ist die Dauer des REM-Schlafes deshalb so kurz, weil die Wiederkäuer sonst nicht in der Lage wären, ausreichend Energie aus ihrem Futter zu ziehen. Dazu nehmen Rinder eine sternförmige Liegeposition ein, während der sie den Kopf auf den Bauch abgelegen. Auch Giraffen zeigen eine ähnliche typische REM-Schlaf-Haltung, in der sie merkwürdig verkräuselt den Kopf auf dem Hinterleib ablegen.

Auch Kühe liegen gerne bequem

Kühe sind also keine Vielschläfer, sondern Viellieger. Sieben bis 12 Stunden am Tag ruhen die Tiere, wobei ein hoher Liegekomfort die Wiederkauaktivität begünstigt, Klauen und Gelenkproblemen vorbeugt und die Milchleistung verbessert. Zudem ist bekannt, dass die Produktion des Hormons Prolactin von der Tiefschlafdauer bestimmt wird. Wie der Name vermuten lässt, ist es essentiell für die Laktation. Somit sollte eine Kuh, die bequem liegt, mehr Milch geben. Und so ist es auch: Der clevere Milchbauer stattet die Liegeboxen mit einer zweischichtigen Strohmistmatratze aus, die eine leicht muldenfähige, waldbodenähnliche Unterlage bietet. Alternativen reichen von einfachen Massivgummimatten bis hin zur dicken Komfortmatratze mit gesteppten Zwischenkanälen. Wasserbetten haben sich übrigens nicht bewährt, da sie zu schnell verschleißen. Bei liegenden Kühen fließt 30 % mehr Blut durch das Euter als bei stehenden Tieren. Erhöht sich die Liegedauer nun von 10 auf 12 Stunden pro Tag, steigert das die Milchproduktion um satte 10%.[i] In Norwegen hat die Regierung deshalb 2006 eine Matratzenpflicht für Milchkühe eingeführt. Manch ein Bauer ärgerte sich , dass er nicht bereits früher die Matratzen angeschafft hatte, denn diese rentieren sich bereits nach einem Jahr – und die Tiere sind auch zufriedener.

Mit einem sicheren Gefühl besser schlafen

Wie alle Tiere suchen auch Kühe ihren Schlafplatz nach Sicherheitskriterien spezifisch aus und prüfen ihn vor dem Ablegen ausgiebig. So bevorzugen sie es, neben einer schützenden Wand zu schlafen. Die Sicherheitslage bestimmt auch die Zusammensetzung des Schlafes. Auf der unsicherer empfundenen Weide, in der potentiell Angriffe aus der Dunkelheit drohen, fällt der REM-Schlaf geringer aus. Sobald die Kühe wieder im Stall liegen, wird er dort nachgeholt.

Zudem scheinen auch Kühe etwas von Feng Shui zu verstehen. Forscher der Universität Essen-Duisburg fanden heraus, dass Kühe bevorzugt in Nord-Süd Richtung grasen und ruhen.[ii] Sie hatten sich dazu vier Monate lang mehr als 8500 Kühe auf google Earth angeschaut. Der Grund für diese Richtungsentscheidung der Tiere ist ungeklärt. Vielleicht mögen sie es einfach nicht, wenn ihnen die Sonne direkt auf den Hinterkopf scheint. Von Norden haben sie nämlich niemals Sonnenlicht zu erwarten.

Der Mythos vom Küheschubsen

Für die, die bei schlafenden Kühen an nächtliches „Küheschubsen“ denken: Es handelt sich dabei um einen Mythos, demzufolge sich die Landjugend nachts auf den Weiden herumtreibt, um Kühe umzuschmeißen. Wie wir oben gelernt haben, liegen die Kühe bereits die meiste Zeit – Umschubsen ist also unmöglich. Auch wird ein noch so starker Jugendlicher genauso wenig in der Lage sein alleine eine 700 Kg schwere Kuh umzuwerfen, wie er auch keinen Kleinwagen alleine umzuwerfen vermag. Und dann wissen wir jetzt, dass Kühe nur für die kurze Dauer von 3 bis 4 Stunden schlafen. Ja, sie können theoretisch den Tiefschlaf im Stehen verbringen, aber meistens werden sie im Stehen lediglich dösen und bei einer Störung davonlaufen oder den Ruhestörer vertreiben. Also bloß keine schlafenden Kühe wecken!


[i] Wolf und Marten (2000) Kühe bevorzugen Boxen mit weichem Belag. Bauernzeitung, Berlin 41 (2000) 15. – S. 58-59

[ii] Begall, S., Cerveny, J., Neef, J., Vojtech, O., & Burda, H. (2008). Magnetic alignment in grazing and resting cattle and deer. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 105(36), 13451-13455. doi:10.1073/pnas.0803650105